Auch wenn es sich nicht immer und an jedem Ort so anfühlt – die Statistiken der weltweiten Durchschnittstemperaturen sind eindeutig: Alle fünf wärmsten Jahre seit Beginn der Industrialisierung haben seit 2010 stattgefunden. Die Menschheit mit ihren Fabriken und Kraftwerken, ihren Autos und Flugzeugen, ihren Ställen und Ackerflächen heizt die Erdatmosphäre beständig auf. Vielen Teilen der Erde drohen gefährliche Folgen durch den Klimawandel.
Also ist gezieltes Gegensteuern gefragt, um die Erderwärmung wie im Klimavertrag von Paris vorgesehen auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen. Doch bisher sinkt der globale Treibhausgasausstoß nicht. Im Gegenteil, im Jahr 2017 ist er sogar wieder leicht gestiegen. Auch deswegen diskutieren Experten immer wieder über gezielte Eingriffe ins Erdklima, um den Planeten zu kühlen.
Dieses sogenannte Geoengineering ist umstritten – doch manch ein Forscher fürchtet, dass ohne solche Maßnahmen die Erderwärmung ganz außer Kontrolle geraten könnte. Gleichzeitig gibt es viele Gegenargumente. Eines davon ist, dass die Menschheit bisher viel zu wenig über die möglichen Folgen von Geoengineering weiß. (Lesen Sie hier einen Kommentar zur Forschung zum Geoengineering.)
Nach SPIEGEL-Informationen arbeitet die Bundesregierung nun an Vorgaben, die zumindest die Forschung am sogenannten marinen Geoengineering regeln sollen. Dabei geht es um das gezielte Einbringen von Substanzen ins Meer, die dort für ein verstärktes Wachsen von Algen sorgen. Dabei könnte so viel Kohlenstoff gebunden werden, dass sich eine positive Wirkung fürs Klima ergäbe. Auch über ein gezieltes Zurückdrehen der Ozeanversauerung mit Hilfe von Mineralstoffen wird debattiert.
Geoengineering: Nur mal kurz die Welt retten?
Mit Aeorosolen das Sonnenlicht dimmen: Der Nobelpreisträger Paul Crutzen hat im Jahr 2006 eine Art Giftkur fürs Weltklima vorgeschlagen. Feinste Schwefelpartikel, ausgebracht in 10 bis 50 Kilometer Höhe, sollen das Sonnenlicht dämpfen. Um ein paar Prozent nur, aber das würde reichen, damit die Temperatur auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts nur um zwei bis zweieinhalb Grad ansteigt. Dass das Verfahren funktioniert, zeigte sich 1991 beim Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen. Mehr als 20 Kilometer hoch wurde damals die Aschewolke geschleudert. Schwefeldioxide oxidierten zu genau jenen kleinen Schwefelsäure-Tröpfchen, die Crutzen nutzen will. Der Himmel verdunkelte sich ein ganz kleines bisschen, die Temperatur sank weltweit um 0,5 Grad. Weil Schwefel die Ozonschicht stark schädigen könnte, denken Forscher auch über andere Aerosole nach. Der Charme der Methode ist aber, dass sie vergleichsweise billig umzusetzen ist. Das Ausbringen der Aerosole könnten z.B. Militärjets übernehmen.
Es bestehe “nach wie vor Forschungsbedarf zu den Wirkungen, Folgen und Risiken eines Einsatzes von marinem Geoengineering”, so Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium, in der Antwort auf eine Schriftliche Frage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Innerhalb der Regierung werde daher “ein Regelungspaket mit Referentenentwürfen” abgestimmt. Es gehe um zwei Gesetze und eine Verordnung, so Pronold.
Der Gesetzesentwurf zum marinen Geoengineering solle “das Einbringen von Stoffen in die Hohe See” zu “Zwecken der wissenschaftlichen Forschung” regeln. Nach dem vorliegenden Referentenentwurf sollten wissenschaftliche Vorhaben dazu in Zukunft “einem Erlaubnisvorbehalt” unterliegen: “Nach den vorgesehenen Neuregelungen soll die Erlaubnis in Übereinstimmung mit den Vorgaben des internationalen Rechts nur erteilt werden dürfen, wenn der Vorhabenträger unter anderem ein hohes Schutzniveau für die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit gewährleistet”, so Pronold. International ist das Thema vor allem in der “London Convention” und dem “London Protocol” geregelt.
Kritik an den Plänen der Bundesregierung kommt von Lisa Badum, Sprecherin für Klimapolitik bei Bündnis 90/Die Grünen. Sie warnt: “Die Risiken von Geoengineering als bewusstem Eingriff in das Klimasystem mit dem Ziel, die menschengemachte Klimakrise abzumildern”, seien “völlig unkalkulierbar”. Die Bundesregierung setze ihre “klimapolitische Irrfahrt” fort. Statt als erste Amtshandlung “ins Wettermachen einzusteigen”, solle sie lieber ein klimapolitisches Sofortprogramm auf den Weg bringen – “inklusive Kohleausstieg, Ausbau der erneuerbaren Energien und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor”.
Tücken des Geoengineerings
“Wir wollen keine weiteren Eingriffe in das Wetter, die Atmosphäre und die Natur”, so Badum weiter. Umwelt-Staatssekretär Pronold erklärt dagegen, die Bundesregierung setze “in ihrer nationalen Klimapolitik nach wie vor vollständig auf die Minderung von Treibhausgasemissionen sowie auf Anpassungsmaßnahmen”. Das sei auch die Position im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen. Forschung zum marinen Geoengineering sollten nur “in Übereinstimmung mit neueren Vorgaben des internationalen Rechts und unter engen Voraussetzungen ermöglicht werden”.
Bisherige Forschungsergebnisse zum marinen Geoengineering sind ziemlich ernüchternd. So hatte ein deutsch-indisches Wissenschaftlerteam unter Führung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Jahr 2009 eine 300 Quadratkilometer große Fläche im Südatlantik mit Eisensulfat gedüngt. Vorausgegangen waren Proteste von Umweltschützern und ein handfester Streit in der deutschen Bundesregierung.
Nach der Auswertung des Versuchs zeigte sich dann: Die gezielte Förderung des Algenwachstums konnte nur wenig Kohlenstoff binden. Zwar sprossen zum Start des Versuchs tatsächlich die Algen – doch dann zeigte sich, dass auch deren Fressfeinde, sogenannte Ruderfußkrebse, hungriger wurden und das Wachstum fast komplett zunichtemachten. Auch frühere Versuche hatten belegt, dass nur verhältnismäßig wenig Kohlenstoff dauerhaft am Ozeanboden gebunden werden kann. Theoretische Studien zur Ozeandüngung mit Olivin kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass sich dieses Verfahren in der Praxis nicht lohnen dürfte.
Doch Anhänger der Ozeandüngung haben sich von den eher schlechten Ergebnissen nicht abschrecken lassen. So düngte ein US-Unternehmer vor der kanadischen Küste auf eigene Faust den Pazifik mit Eisenpartikeln – und zog den Zorn von Umweltschützern auf sich. Ein mit diesem Versuch in Zusammenhang stehendes Unternehmen plant nun eine weitere Düngungsaktion vor Chile, womöglich bereits in diesem Jahr.