Ohne Stahl oder Zement: Recycelbare Häuser, die 100+ Jahre halten

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Während der vergangenen ungefähr 17 Jahre haben die traditionellen Baumaterialien von Malaksingh Gill den CO2-Fußabdruck in der Welt um Tausende von Tonnen verringert.

Hier ist eine Übung, welche der bekannte Architekt Malaksingh Gill empfiehlt:

Du bist kürzlich in ein neues Haus gezogen, das aus traditionellen und nachhaltigen Materialien wie Schlamm, Bambus oder Holz errichtet wurde. Du hast eine Menge an Baukosten gespart, indem Du Materialien aus der Region und lokale Maurer eingesetzt hast.

70 Jahre später steht Dein Haus immer noch fest wie ein Fels und wenn Du Dein Haus abbauen möchtest, sind alle dabei erzeugten Abfälle recycelbar und können sich zersetzen, ohne etwa die Umwelt zu beeinträchtigen.

Wenn dieses Bild Dir ein Gefühl der Zufriedenheit vermittelt, dann ist das ein Fingerzeig, Dich für ein Haus zu entscheiden, das keine Umweltschäden verursacht und langlebig und kostengünstig ist.

“Ich wollte immer schon für das Interesse eines größeres Gemeinwohls arbeiten und hatte keine Lust auf die Art von Arbeit, die herkömmliche Architekten in Mumbai leisteten. Als Student kritisierte ich, dass zeitgenössische Gebäude keine Rücksicht auf lokale Kultur und die natürliche Umgebung nehmen”, sagt der in Mumbai ansässige renommierte Architekt Malaksingh Gill.

In den letzten rund 17 Jahren hat der 43-Jährige bei Projekten in ganz Indien durch die Verwendung traditioneller Baumaterialien wie Schlamm, Bambus, Ziegel, Kalk und Holz verhindert, dass Tausende Tonnen Kohlenstoff ansonsten in die Atmosphäre gelangt wären.

Seine Projekte umfassen beispielsweise freistehende Bungalows, über Gemeindehäuser bis hin zu Bauernhäusern.

Die Digital-Platform The Better India (TBI) sprach mit Gill, um mehr über die Techniken der nachhaltigen Architektur sowie die Gründe für seine Faszination für Öko-Architektur zu erfahren.

Inspiration durch Ameisenhaufen, Bienenstöcke und Vogelnester

Als Architekturstudent hatte Gill stets davon geträumt, ein unkompliziertes, budgetschonendes und nachhaltiges Zuhause zu schaffen, das sich perfekt in die Natur einfügt. Und Laurie Bakers kostengünstige Bautechniken mit maximaler Effizienz beflügelten Gills Fantasie.

Bekannt als “Gandhi der Architektur” und “Meister des Minimalismus”, bot Baker Indien und der Welt eine einzigartige architektonische Tradition, die Mensch und Natur miteinander vereint.

Nach Abschluss seines Studiums an der Rachana Sansad Academy of Architecture in Mumbai zog er nach Thiruvananthapuram, um bei Baker’s Organisation COSTFORD mitzuarbeiten.

“Hier habe ich begriffen, dass meine Lehrer auf dem Feld waren. Meine Universität war in Dörfern, meine Klassenzimmer waren heruntergekommene Gebäude und die Werkstätten der örtlichen Handwerker. Alle natürlichen Lebensräume wie Ameisenhaufen, Bienenstöcke und Nester haben mich motiviert, sensibel zu bauen”, sagt er gegenüber TBI.

Gills betont die Vorteile von nachhaltigen Häusern: “Ich habe jahrhundertealte Dorfgebäude in verschiedenen Größen untersucht, um meine Argumente hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Langlebigkeit, thermischen Behaglichkeit, Bioempfindlichkeit und Kosteneffizienz zu bestätigen. Suche Dir irgendeine alte Struktur aus, bei der kein Zement verfügbar war, und Du wirst feststellen, dass sie den Test der Zeit mit geringer oder gar keiner Verschlechterung bestehen.”

Ein umweltverträgliches Zuhause

Gill verzichtet konsequent auf moderne architektonische Techniken wie Stahlbeton (RCC), Stahlstangen, Stahlplatten und Stahlgewebe als Baumaterial, da diese Kohlenstoffemissionen verursachen.

Und die Fakten stützen Gill’s Aussagen über schadstofffreie und umweltfreundliche Strukturen. Beispielsweise verursacht Zement rund 8 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen (CO2).

Ein Zeichen setzen

Gill hatte begonnen, während die Globalisierung in Indien boomte und Themen wie der Klimawandel noch keine gänggen Gesprächsthemen waren.

Er trat mit seinen Vorstellungen von Öko-Architektur in eine Arena ein, die mit kohlenstoffemittierenden Baumaterialien übersät war. Es war indes ein Risiko, das Gill bewusst einzugehen bereit war. Gill musste sich auch mit den hohen Kosten für nachhaltige Baumaterialien im städtischen Raum auseinandersetzen.

“Als ich mein erstes umweltfreundliches Haus in Mumbai baute, beauftragte ich professionelle Bauunternehmer aus der Stadt mit der Ausführung von Bakers Techniken. Mir war klar geworden, dass sich die Menschen in kleineren Städten und Dörfern die Preise für diese Materialien und für professionelle Bauunternehmer nicht leisten können”, erklärt er.

Als Lösung erforschte Gill die “innere Beziehung” zwischen Häusern mit ihren Erbauern und Bewohnern in Stammes- oder ländlichen Siedlungen. “Ich erkannte eine Chance in dem Problem. Ich begriff dass ich nicht dieselbe Baustoffpalette verwenden sollte, die wir in Städten verwenden, wenn ich Gebäude in kleinen Städten und ländlichen Gebieten entwerfe “, fügt er hinzu.

So begann er Gespräche mit ländlichen Maurern und Bauherren und fand zu seiner Überraschung ein Gefühl spürbarer Begeisterung unter ihnen, professionell zusammenzuarbeiten und ihre Fähigkeiten zu verbessern.

 

Ein Einblick in Gill’s Projekte:

Bei jedem Projekt befolgt Gill gewissenhaft vier grundlegende Konstruktionsprinzipien:

  • Bau zu minimalen Kosten.
  • Sämtliche Materialien sollten sich innerhalb eines Radius von 1 km um die Baustelle herum befinden.
  • Gebaut von örtlichen Handwerkern.
  • Veträgt sich mit der Landschaft.

Um zu verstehen, wie Gill diese Prinzipien anwendet, stellen wir hier drei nahezu perfekte umweltfreundliche Strukturen vor, die er unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen wie Wetter, Geographie und Geschichte errichtet hat:

 

1) Gill’s erstes umweltfreundliches Haus in Malad, Mumbai

Mit dem Projekt ‘Avatar’, gab er sein Debüt “grüner” Architektur in Malad, und laut India Today war es das erste umweltfreundliche Haus in Mumbai.

Das Haus ist sich der schrumpfenden Fläche in der Stadt bewusst und weist ein kompaktes aber effizientes Design auf.

Die Stein- und Ziegelwände passen zum einzigartigen Design der Wendeltreppe aus Holz- und Steinstufen. Ziegelkonsolen stützen die Stufen, Gegengewichte sorgen für zusätzlichen Halt von außen.

Mit Glasflaschen bestückte Ziegelnischen sorgen für eine indirekte Beleuchtung und einen Buntglas-Effekt, was den Räumen eine besondere Ästhetik verleiht.

Gill nutzt die Querlüftung zu seinem Vorteil und hat Sitzgelegenheiten in der Nähe der Fenster eingebaut.

 

2) Ein “grünes” Gemeinschaftshaus in Karjat

Gill beschreibt dieses Projekt als “einzigartig und umfassend”. Es liegt inmitten eines natürlichen Waldes.

Gill beschäftigte für die Bauarbeiten die Stammesbewohner von Karjat, die zuvor in einem Workshop in umweltfreundlicher Technologie geschult wurden. Er hat das Wissen und Können der Einheimischen in die Planungs- und Ausführungsphase einbezogen.

Der Architekt legte größten Wert auf die Nutzung des natürlichen Lichts, da es in dem 60 Hektar großen Wald keine Stromversorgung gibt.

Die Maurer legten das Fundament des Hauses in losem Bruchstein mit Lehm-Mörtel und bauten den Sockel oder den untersten Teil des Hauses auf einem Hang, der zur Bodenbefestigung günstig war.

Die Maurer bereiteten die Mischung zum Mauern aus Stroh und Mörtel in der Grube mit bloßen Füßen zu, da dies der für die Umwelt am wenigsten schädliche Prozess ist. Es erfordert weder eine Verarbeitung des Gemisches noch eine Materialbeschaffung von außerhalb, da Schlamm am Standort problemlos verfügbar war.

Gill entschied sich für die Verwendung der äußerst haltbaren Kadappa-Steinstürze für Wandöffnungen und Lagerräume.

“Für ein Adivasi-Wohngebäude und ein Gemeindewohnzentrum war es ein wichtiger Teil des Auftrags, so viel Lagerraum wie möglich bereitzustellen. Dies wurde erreicht, indem horizontale Regale aus Kadappa-Stein in verschiedenen Höhen im gesamten Gebäude aufgestellt wurden”, heißt es in der Beschreibung des Gemeindehauses.

 

3) Integration regionaler Merkmale

Gill baute zwei Bungalows mit einer gemeinsamen Säule und Innenhof, so wie es für Häuser von Gujarati typisch ist. Die Gebäude bestehen aus Ziegelmauerwerk in Kalkmörtel mit einem Füllputz.

Eine Reihe von Segmentbögen verbindet private Wohnraume mit der Säule und sorgt so für passive Beleuchtung und Belüftung in Vadodaras trockenem Klima.

Die mit Glasflaschen ausgestatteten Nischen aus Ziegeln sorgen für indirekte Beleuchtung und einen Buntglaseffekt, der ein weiteres traditionelles Merkmal ist.

 

Von der Inspiration zum Vorbild für andere

Gill glaubt, dass die Weitergabe von Wissen das ultimative Ziel des Lernprozesses ist.

Außerdem hält er Vorlesungen an Architekturhochschulen, und sein Unterricht findet größtenteils außerhalb des Hörsaaals statt. Aufgrund seiner Beobachtungen bietet er verdienten Studenten einen Platz in seinem Team.

“Auf diese Weise verbreite ich Arbeit, von der ich glaube, dass sie durch Architektur einen sinnvollen Wandel in der Gesellschaft bewirken kann. Heute sind viele meiner Schüler selbst Lehrer, praktizieren in Dörfern und haben Auszeichnungen auf vielen Ebenen erhalten”, teilt er.

Das Architektur-Paar Dhruvang Hingmire und Priyanka Gunjikar war in seinem vierten Jahr, als sie Satara in Maharashtra besuchten, um zusammen mit ihrem Professor Malaksingh Gill die regionale Architektur zu studieren.

Dort besichtigten sie ein altes Damenhaus, das komplett aus Lehm- und Kuhdungputz gebaut war. Die in die Wände eingelassen Bänder verliehen dem Haus Farbe und Ästhetik.

Dies inspirierte das Duo zu seiner Karriere in Bereich nachhaltiger Architektur, und sie arbeiteten sogar drei Jahre lang mit Gill zusammen, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründeten.

“Malaksingh betont stets die Bedeutung von Wissen. Wahre Weisheit ist, die Demut zu haben, immer von allen um einen herum zu lernen – insbesondere auch von den oft vernachlässigten Zusammenhängen unmittelbar um uns herum. Er ist mehr als nur ein Lehrer, der ein bestimmtes Fach und über Material oder Technik unterrichtet. Seine Lehren gehen über das Fach Architektur hinaus – und sind eine wertvolle Unterstützung im Alltag”, betonte Dhruvang gegenüber TBI.

Nachhaltigkeit ist wie eine Kampfansage gegen die Umweltzerstörung, und Architekten wie Gill sind wahre Krieger, welche die Fahne des umweltbewussten Lebens hochhalten.

 

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Verweise:

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