Schatten tanzen über der Himalaya-Bergkette auf einem Bild, das von einem Astronauten der Internationalen Raumstation aufgenommen wurde.
Die unterirdischen Strukturen, die durch starke Erdbeben ersichtlich wurden, bieten faszinierende neue Hinweise darauf, warum unser Planet ein chemisches Kuriosum ist.
DU KÖNNTEST SOEBEN unwissentlich gewissermaßen auf einem Berg stehen.
Obwohl es sich wie ein fantastisches Stück aus Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde anhört, sind unterirdische Berge real, wenngleich sie sich von der von jedem Romantiker vorgestellten Landschaft unterscheiden. Dieses seltsame Gebirge ist Teil der Schichtstruktur unseres Planeten, die sich entlang einer geologischen Grenze erstreckt, die etwa 650 Kilometer tiefer liegt. Es enthält enorme Gipfel, von denen einige sogar höher ragen als der mächtige Mount Everest.
Jetzt haben die Wissenschaftler mit den seismischen Wellen mehrerer großer Erdbeben ihren bislang präzisesten Blick auf diese unterirdischen Berge geworfen. Ihre kürzlich in der Zeitschrift Science veröffentlichte Analyse deutet darauf hin, dass die Gipfel nicht nur hoch, sondern erstaunlich zerklüftet sind – eine Entdeckung, die Hinweise darauf liefern könnte, warum die Erde ein chemischer Sonderling in unserem Sonnensystem ist.
Video ERDE 101
Die Erde ist der einzige Planet, von dem bekannt ist, dass es auf ihm Leben gibt. Entdecke die Ursprünge unseres Heimatplaneten und einige der wichtigsten Faktoren, die dazu beitragen, dass dieser blaue Fleck im Weltraum ein einzigartiges globales Ökosystem ist.
“Da wir schon so viel beobachten konnten, denken die Leute, dass wir die meisten der Entdeckungen erster Ordnung bereits gemacht haben, und dass alles andere den grundlegenden Entdeckungen lediglich Details hinzufügt”, sagt Christine Houser, Seismologin am Earth-Life Science Institute des Tokyo Instituts für Technologie.
Aber wie diese Studie zeigt, “sind wir immer noch in der Lage, grundlegende neue Entdeckungen des Inneren unseres eigenen Planeten zu machen.”
“Joghurt Erde”
Der Erdmantel macht rund 84 Prozent des gesamten Planeten aus und funktioniert wie ein geologisches Recyclingzentrum. Dessen langsame Konvektion treibt die stetige Bewegung der Plattentektonik an, die Platten in die Tiefe stürzen lässt. Währenddessen wird aufsteigendes Magma an der Oberfläche freigesetzt und liefert einen neuen Vorrat an Mineralien.
“Fast alles darüber, wie sich das Leben entwickelt hat, beruht auf diesem Fließen von Elementen von der Oberfläche”, sagt Elizabeth Day, Erdbebenforscherin am Imperial College London, die selbst nicht an dieser Studie beteiligt war. “Platten müssen absinken, und Vulkane müssen auszubrechen, und all diese Dinge, um die Zyklen zu unterstützen, die wir auf der Erde haben.”
Aber wie stark unser Erdmantel fließt und sich vermischt, ist weiterhin unbekannt. Man stelle sich das wie einen Joghurtbecher mit Früchten auf dem Boden vor. Wie gut hat die Konvektion das süße Gelee durch das spritzige Milchprodukt verwirbelt?
Dies ist eine wesentliche Frage, da der Erde im Vergleich zu anderen felsigen Körpern in unserem Sonnensystem einige Elemente zu fehlen scheinen. Zum Beispiel sind Chondriten steinerne Meteoriten, von denen Wissenschaftler annehmen, dass sie Überreste der alten Planetenformation sind. In diesem Fall sollten sie in ihrer Zusammensetzung den Gesteinen der Erde ähnlich sein. Doch im Gegensatz zu Chondriten hat der obere Erdmantel im Relation zu seinem Magnesium nur einen relativ geringen Siliziumanteil.
Planetarischer Ultraschall
An dieser Stelle kommen die Tiefenunterschiede ins Spiel. Einige der “fehlenden“ Elemente wie Eisen könnten in den Kern des Planeten verbannt sein, aber es ist nicht klar, wo andere verborgen sein könnten. Ein Teil des Problems ist, dass es schwierig ist, herauszufinden, was kilometerweit unter unseren Füßen liegt.
Frühere Arbeiten mit Erdbebenwellen haben gezeigt, dass diese seismischen Signale rund um die 650-Kilometer Tiefengrenze tanzen, was darauf hindeutet, dass die darunter liegenden Felsen dichter sind als die darüber liegenden. Weitere Hinweise stammen aus der Chemie von Vulkangesteinen, Resten von einst geschmolzenem Erdmantel und seltenen an die Oberfläche gebrachten Mantelstücken.
Das entstandene Bild unterscheidet sich deutlich von den üblichen gelben und roten Schichten, die in den meisten Erddiagrammen zu sehen sind: ein Großteil des oberen Mantels strahlt wahrscheinlich in kräftig grünem Olivin, während dunklere rosige Granate, die mit blauen Mineralien vermischt sind, über der Grenze von 650 Kilometern weiter unten vorherrschen und erdfarbener Bridgmanit darunter sitzt.
Die meisten Wissenschaftler sind sich darin einig, dass die Dichteänderungen durch physikalische Umlagerungen von Elementen in unterschiedliche Kristallstrukturen verursacht werden, ähnlich wie bei der Umwandlung von Graphit in Diamant bei hohem Druck und hohen Temperaturen, so erklärt Studienleiter Wenbo Wu, der die Arbeit als Doktorand an der Princeton Universität leitete. Es könnte jedoch auch chemische Unterschiede geben.
“Vielleicht wird unser Verständnis der Zusammensetzung der Erde durch die wenigen Proben, die wir vom Mantel haben, beeinträchtigt”, sagt Jackie Caplan-Auerbach, Seismologin an der Washington Universität
Um einen Blick in das Innere der Erde zu werfen, wandten sich Wu und seine Kollegen dem Nachhall von wirklich starken Erdbeben zu. Wu, der mittlerweile nach seinem Doktorat am California Institut für Technologie arbeitet, vergleicht den Prozess mit Licht, das von einem Spiegel reflektiert wird. Wenn dieser Spiegel vollkommen flach ist, wird das Licht sauber reflektiert. Wenn man der gespiegelten Oberfläche jedoch einige Unebenheiten und Wölbungen hinzu, dann werden die zurückgeworfenen Strahlen gestreut. –
Außergewöhnliche Felsgebilde aus der ganzen Welt (Bilder)
Italiens Ätna bietet ein lebendiges Bild von einem der Geburtsorte vulkanischen Gesteins während eines nächtlichen Ausbruchs. Wenn Magma abkühlt und sich verfestigt, bildet sich vulkanisches Gestein. (Lava ist Magma, das die Erdoberfläche erreicht hat.) Der Ätna zeigt mit seinem Namen auch die Wortherkunft auf, nämlich vom lateinischen Wort für Feuer. – FOTOGRAFIE VON CARSTEN PETER
Das Einsickern von Lava wirkt wie ein Siegel über dem gebrochenen Boden im Hawaii Vulkan-Nationalpark. Sobald die Lava aus dem Kilauea-Krater abgekühlt ist, wird sie als vulkanisches Gestein bezeichnet, da es sich aus geschmolzenem Material gebildet hat. Geologen würden hier auch von Lavagestein sprechen, weil es sich auf der Erdoberfläche verfestigt hat. – FOTOGRAFIE VON FRANS LANTING
Diese Basaltsäulen des Giant’s Causeway in Nordirland, die wie Trittstufen ins Meer sind, entstanden aus vulkanischen Aktivitäten vor etwa 50 bis 60 Millionen Jahren. Gestein, das aus geschmolzener Materie gebildet ist, wird als vulkanisches Gestein bezeichnet, und Geologen klassifizieren vulkanisches Gestein nach seiner Struktur. Man braucht ein Mikroskop, um die Körner in den 40.000 Basaltsäulen zu sehen, die den Giant’s Causeway bilden. – FOTOGRAFIE VON JIM RICHARDSON
Gekühlte Lava liegt in zuckergussartigen Wellen im Hawaii Vulkan-Nationalpark. Dieses Bild zeigt Ropy Pahoehoe, eine Art Basaltlava, die entsteht, wenn sich Lava verfestigt und auf ein Hindernis trifft. Heiße Lava unter der sich aushärtenden Kruste bewegt sie weiter und bildet dabei Falten. – FOTOGRAFIE VON JEFF GNASS
Der 386 Meter hohe Devils Turm in Wyoming bildete sich, als geschmolzenes Gestein in die bestehenden Felsen eindrang. Anfangs war die Formation nicht sichtbar, aber als Wind und Wasser begannen, das den Turm umgebende Sedimentgestein schneller zu erodieren als das härtere vulkanische Gestein, entstand der Devils Turm. – FOTO VON JOHN G. WILBANKS
Die künstlerische Seite der Erosion zeigt sich in Sedimentgesteinsschichten im Zion National Park, Utah. Nachdem sich mit der Zeit Schlamm-, Kies- und Sandsedimente abgelagert und Gesteinsschichten gebildet hatten, wurde die Region angehoben. Die Erosion begann dann, die prächtigen Klippen und Schluchten herauszuarbeiten, die wir heute sehen. – FOTO VON PETER ARNOLD, INC./ ALAMY
Dieser Abschnitt des erodierten Sedimentgesteins am Elgol Beach auf der Insel Skye in Schottland ähnelt Knochen. Erosion prägte sein wabenartiges Erscheinungsbild. – FOTO VON JOHN MCKENNA / ALAMY
Ein kleiner Abschnitt der Wittenoom-Eisenformation in Westaustralien zeigt, wie Sedimentgesteine in Schichten abgelagert werden. Die Sedimente in diesem Foto krümmen sich an den Enden der Feuersteinplatten. Feuerstein ist ein Gestein auf Silica-Basis, das in Kalkstein vorkommt. Paläontologen kennen Feuerstein als einen vielsprechenden Ort, um nach Fossilien zu suchen. – FOTOGRAFIE: GESELLSCHAFT FÜR SEDIMENTÄRE GEOLOGIE
Vorsichtiges Klettern auf eisverkrustetem Kalkstein im Box Canyon in Ouray, Colorado. Während des Sommers beeindruckt ein 87 Meter hoher Wasserfall die Besucher, während im Winter Eis- und Kletterbegeisterte die Oberhand gewinnen. – FOTOGRAFIE VON BILL HATCHER
Horizontale Furchen und vertikale Brüche im Grundgestein geben Checkerboard Mesa im Zion-Nationalpark in Utah seinen Namen. Die Erosion prägte den Navajo-Sandstein der Mesa am Rande des Colorado-Plateaus nahe dem östlichen Eingang des Parks. – FOTOGRAFIE VON LARRY FELLOWS
Eine einzelne Pore in Feuerstein-Granulaten innerhalb einer Felsformation in der kanadischen Provinz Ontario zeigt in dieser Mikrofotografie ihre Farben. Dieses Gestein enthielt zuvor kalkhaltigen Zement, bevor es einer Diagenese unterzogen wurde, einem Prozess, bei dem niedrige Temperaturen und niedriger Druck den Gehalt an Sedimenten verändern, bevor sie schließlich austreten oder in Gestein übergehen. – FOTOGRAFIE: GESELLSCHAFT WIRTSCHAFTLICHER PALÄONTOLOGEN UND MINERALOGISTEN
Ein Fluss aus weißem Gestein schlängelt sich in seiner dunkleren Umgebung und weist auf eine höhere Viskosität als das dunklere Gestein hin. Geologen bezeichnen diese Formation als ptygmatische Faltung. Ein Penny-Geldstück links unten im Bild zeigt die Größe dieser Faltung, die sehr unregelmäßig ist. – FOTOGRAFIE VON MARLI MILLER, UNIVERSITÄT OREGON
Als wäre es ein avantgardistisches Gemälde, dringt das jüngere weiße Gestein in einen Gobelin aus Gneis ein. Da das weiße Gestein nicht die gleichen Faltungsmerkmale aufweist wie der umgebende Gneis, ist es ein Beweis dafür, dass es sich um ein jüngeres Eindringen handelt. Gneis, ein metamorphes Gestein, kommt häufig in präkambrischen Gebieten vor. Achte auf den Penny für den Größenvergleich. – FOTO VON MARLI MILLER, UNIVERSITÄT OREGON
Bulldozer arbeiten in einem Marmorbruch in Thásos, Griechenland. Die Hitze und der Druck der Erde verwandeln Kalkstein in Marmor, der in der Farbe von Schwarz bis Weiß reichen kann. Die alten Griechen erkannten die Beständigkeit des Marmors und bauten damit das Parthenon in Athen. Marmor, ein metamorphes Gestein, entsteht, wenn Kalkstein sich wieder kristallisiert. – FOTO VON CUBOIMAGES SRL / ALAMY
Der Colorado River hat diese Schieferformationen in bonbonähnliche Formen und Schattierungen erodiert. Schiefer, ein metamorphes Gestein, enthält Mineralkristalle, die mit bloßem Auge sichtbar sind. – FOTOGRAFIE VON PETER ESSICK –
Wu fährt fort: “Dies ist eine ähnliche Idee wie unsere Studie. Der Unterschied besteht darin, dass wir uns mit seismischen Wellen befassen.” Insbesondere nutzte das Team die Kraft von Erdbeben, welche die Erde wie eine Glocke läuteten und Wellen durch unseren Planeten und wieder zurück sandten, um die Streuung der inneren Strukturen zu beobachten. Um dieses Kunststück zu vollbringen, suchten die Forscher nach Erdbeben der Stärke 6, die ziemlich tief einsetzten. Sie stellten dann die Signale mehrerer Beben zusammen, in der Hoffnung, dass Muster auftauchen würden, die Details über die unterirdische Landschaft enthüllen könnten.
Ein Gewölbe der frühen Erde
Diese starken Erdbeben haben einige überraschende Informationen zutage gefördert: Einige Regionen der Grenze, in denen sich die tiefen Berge befinden, sind bemerkenswert zerklüftet, und die Flanken der unterirdischen Gipfel ragen empor. Während es schwierig ist, die exakten Höhen der schroffen Regionen zu bestimmen, deutet ihr Vorhandensein auf chemische Unterschiede im Erdmantel hin.
Die Autoren nehmen an, dass die Unebenheiten eine Art “Friedhof” für Felsplatten sein könnten, die an den Untergrundzonen von der Oberfläche herunterkamen, wo eine tektonische Platte unter eine andere geschoben wird. Wenn eine Platte nach unten sinkt, lösen sich Teile und rutschen weiter in die Tiefe. Anscheinend bleiben einige von ihnen unten bei 650 km hängen, und das Aufstapeln dieser Platten könnte den schroffen Teil der Grenzzone formen.
Dies würde wiederum auf Regionen hinweisen, in denen sich der Erdmantel nicht vermischt. Andere Grenzregionen erscheinen glatt und mischen sich daher möglicherweise viel freier, was darauf hindeutet, dass der Mantel im Großen und Ganzen Bereiche mit tiefer Vermischung und Zonen aufweist, die sich langsamer miteinander verbinden.
Darüber hinaus deutet die Arbeit darauf hin, dass die “fehlenden“ Elemente der Erde unter diesen rauen Gebieten verborgen sein könnten. Wie Houser erklärt, haben sich einige Zonen des unteren Mantels möglicherweise seit den Anfangsjahren der Erde dem Mischen widersetzt und einige chemische Komponenten in den Tiefen eingeschlossen. Der Haken an der Sache ist, dass es schwer zu sagen ist, wie lange es diese Funktionen schon gibt.
“Das Bild, das wir jetzt gesehen haben, bedeutet nicht, dass es dasselbe ist, wie vor vielen Millionen Jahren”, sagt Wu.
Dennoch ist es ein spannender Hinweis, wie Houser in einem Artikel zu News und Views schreibt, der die Studie begleitet. Teile des Erdmantels befinden sich sicherlich in einer aktiven Abwanderung. “Anscheinend ist der untere Mantel zudem ein Gewölbe – ein Relikt der Zeit, als die Erde aus dem Staub auftauchte und zu einem eigenen Planeten wurde.”
Verweise:
- http://science.sciencemag.org/content/363/6428/736
- http://www.elsi.jp/en/research/member/researcher/assistant-professor/christine-houser.html
- https://pubs.usgs.gov/gip/interior/
- https://www.sciencedirect.com/topics/earth-and-planetary-sciences/earth-mantle
- https://www.imperial.ac.uk/people/e.day
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0012821X89901623
- https://cse.wwu.edu/college-science-and-technology/caplanj
- http://www.seismolab.caltech.edu/wu_w.html
- http://science.sciencemag.org/content/363/6428/696?intcmp=trendmd-sci