Das exponentiell wachsende Wirtschaftssystem führt direkt in die ökologische Katastrophe. Die Anzeichen dafür mehren sich. Superreiche planen bereits ihr Abtauchen. Es droht die totale Barbarei. Und mittendrin tischen Ökonomen ein neues Märchen auf: Die Lüge vom grünen Kapitalismus.
Diesen Sommer zog eine Dürrewelle über weite Teile des nördlichen Globus. Mancherorts fielen komplette Ernten aus. In vielen südlichen Gebieten stieg das Thermometer zeitweise auf bis zu 50 Grad Celsius oder darüber hinaus.
Das Ausmaß des Baumsterbens wird man erst im kommenden Jahr erfassen können. Noch wissen die stärksten imperialistischen Staaten ihre Lebensmittelregale zu füllen. Darum lässt die Naturkatastrophe viele Mitteleuropäer und US-Amerikaner zunächst nur leise erahnen, was im globalen Süden längst Alltag ist und zu Verelendung wachsender Massen, bewaffneten Konflikten, Flucht und Migration führt.
Es geht um bedrohliche Szenarien: Abwechselnde Dürren und Starkregen vernichten die Ernten. Wüsten breiten sich aus. Es wachsen nicht nur die Sahara in Afrika oder die Wüste Gobi in Asien, sondern auch die Wüste von Tabernas im südspanischen Almeria, dem Gemüsegarten Europas, und die Halbwüste Bardena Reales im Norden des Landes. Ein Fünftel der früheren Ackerflächen in Spanien ist inzwischen verödet. Betroffen von dieser Entwicklung sind auch Portugal, Griechenland wie auch Teile Italiens und Frankreichs.
Endlose Profitmaximierung auf Kosten der Erde
Der Grund für die Entwicklung ist bekannt: Wegen der Konkurrenz zwischen Kapitaleignern unterliegt die globale kapitalistische Wirtschaftsordnung einem in sich selbst verankerten Wachstumszwang. Bei Strafe seines Untergangs muss jeder Player möglichst viel Mehrwert aus der Arbeitskraft seiner Beschäftigten abschöpfen und immer neu und noch profitabler investieren, um im Konkurrenzkampf zu bestehen.
Profitmaximierung ist in diesem System der einzige Selbstzweck jeglicher Produktion. Das beschleunigt nicht nur die Monopolbildung exponentiell, sondern zugleich den Verbrauch an natürlichen Ressourcen. Damit einher geht die exponentielle Zerstörung der Umwelt. Das führt zunehmend zu Verteilungskämpfen, die sich in nationalen, religiösen oder ethnischen Konflikten und imperialistischen Kriegen äußern. Menschen müssen ihre Heimat verlassen. Mehr als jeder zehnte Erdbewohner leidet unter extremem Hunger. Derweil wird eine immer gigantischere Menge an Überproduktion vernichtet, um einen Preisabfall zu vermeiden.
Wissenschaftler warnen, Superreiche rüsten sich für den Crash
Nun mag mancher hinter jedem der Wissenschaftler, die kürzlich auf der UN-Klimakonferenz – nicht zum ersten mal – vor einem Kollaps des planetaren Ökosystems mit dramatischen Folgen für die ärmere Mehrheit der Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten warnten, einen gekauften Agenten vermuten. Man braucht allerdings keine speziellen wissenschaftlichen Kenntnisse, um sich zumindest über eines im Klaren zu sein: Eine zu exponentiellem Wachstum verdammte Wirtschaft mit Profitmaximierung als einzigen Zweck muss auf einem begrenzten Planeten zu selbstmörderischem Raubbau mit dramatischen, irgendwann irreparablen ökologischen Folgen führen – und eines Tages an ihre Grenzen stoßen.
as wissen die Reichen sehr wohl. Laut dem Mitgründer des Karriere-Netzwerks LinkedIn, Reid Hoffman, bereitet sich die Hälfte aller IT-Milliardäre im Silicon Valley konkret auf eine Zeit nach dem Ende der Zivilisation vor. Der Spiegel berichtete Anfang 2017 mit Blick auf eine Reportage im US-Magazin New Yorker darüber. Der Journalist Tomas Konicz schrieb in diesem Jahr auf heise.de über einen hoch dotierten Vortrag des Sozialwissenschaftlers und Medientheoretikers Douglas Mark Rushkoff. Darin sollte er Superreichen unter anderem erklären, welche Erdregionen am wenigsten vom Klimawandel tangiert würden oder wie man Nahrungsmittel möglichst lange und sicher vor dem Zugriff Fremder aufbewahren könne. Zu Luxus-Appartments umgebaute Bunker haben Hochkonkjunktur in diesen Kreisen.
Kapitalismus-Verfechter verklären die Ursache zur Lösung
Dieser Wahnsinn zeigt: Auch zahlreiche Profiteure bekommen inzwischen Panik. Schlimmer noch: Offensichtlich sind sie selbst unfähig, die monströse, gesichtslose Kapitalmaschine des “allmächtigen Marktes” anzuhalten. Sie haben keinen Plan für den Ausstieg und kalkulieren den Crash ein.
Um so abstruser klingt das Märchen, das uns die Vertreter der Vulgärökonomie auftischen wollen. Es ist die Fabel vom “grünen Kapitalismus”. Ein aktuelles Beispiel für diese Irrsinnstheorie lieferte vor einigen Tagen das Kampfblatt der Grünen, die tageszeitung (taz) unter der Überschrift “Nur der Kapitalismus kann die Erde retten – Klimaschutz braucht Kohle”.
Als “Zeit der Sünde und der Erlösung” bezeichnet der taz-Wirtschaftsredakteur Ingo Arzt in diesem Artikel die alljährliche Klimakonferenz. Nüchtern hätten Wissenschaftler vorgerechnet, wie grausam die nahe Zukunft selbst dann aussehen werde, wenn die Staaten der Welt in Sachen Klimaschutz einhalten würden, was sie versprochen haben. Der Planet werde sich im Mittel um 3,2 Grad Celsius aufheizen.
Die meisten Tier- und Pflanzenarten werden dann ausgerottet sein, Fischernetze leer bleiben, fruchtbare Böden veröden, Gesellschaften zusammenbrechen“, führt er aus.
Dann schwenkt er plötzlich um in die Welt der Mythen. Es sei alles lösbar, meint er, und zwar mit CO2-Steuern, erneuerbaren Energien, Biolandwirtschaft, Verzicht auf Fleisch und Konsum. Nicht-materielle Daten würden zum “Öl der Zukunft”. Daten etwa darüber, wer wann wieviel Energie verbraucht, um Solarzellen und Windräder möglichst effektiv zu nutzen und teures Speichern weitgehend zu meiden. Mehr noch: Nur dank des permanenten Konkurrenzkampfes der Kapitalisten untereinander sei es möglich, schnell immer modernere Technologie zu erfinden und zu produzieren, behauptet der Journalist und setzt noch eins drauf: Umwelt- und Klimaschutz müsse “das größte Geschäft des 21. Jahrhunderts werden”.
Dabei räumt Ingo Arzt durchaus ein, dass Kapitalismus als “Idee des ewigen Wachstums” die Ökokrise selbst produziert habe. Und dass der Kollaps Gesellschaften ins Chaos stürzen werde, die dann – wie man es aktuell bereits in den zerfallenden ehemaligen Kolonien in der Peripherie erleben kann – zum Konflikt statt zur Kooperation neigten. Um anschließend seine Illusion vom “grünen Kapitalismus” zu begründen: Es gebe nun einmal keinen Resetknopf, um die Kapitalmaschine einfach anzuhalten.
Systemische Grundwidersprüche
Um das einmal aufzudröseln: Natürlich gebiert der wankende Spätkapitalismus im digitalen Zeitalter eine ebenso exponentiell wachsende Menge an Daten, wie materielle Güter und Arbeitskraft verkaufende Menschen. Und tatsächlich brachte das System eine ungeheure Innovation durch den Konkurrenzkampf hervor. Nur scheitert die These des Autors gleich an mehreren Widersprüchen.
Erstens hört der Kapitalismus nicht einfach damit auf, seinen einzigen irrationalen Selbstzweck, die Profitmaximierung, zu verfolgen. Darauf basiert er ja gerade. Dieser Mechanismus unterwirft alles und jeden. Aktuell erleben wir, wie diesem Wahn trotz noch so fortschrittlicher Technologien und eines längst möglichen Verzichts die letzten Ressourcen zum Opfer fallen. Es wird zu Profit gemacht, was irgend geht. Die Braunkohle ist nur ein Beispiel dafür. Kein Kapitalist wird auf Sonne, Wind oder Wasser umsteigen, wenn er mit vorhandenen Mitteln und ohne zusätzliche Kosten das schwarze Gold noch aus der Erde holen und profitabel vermarkten kann. Etwas anderes lässt die Konkurrenz nicht zu.
Zweitens kann der Kapitalismus aus sich heraus den Zwang zum steten Wirtschaftswachstum gar nicht stoppen. Auch umweltfreundliche Technik muss dabei aus Rohstoffen produziert werden. Der exponentielle Ressourcen-Verbrauch inklusive wachsender Müllmengen ginge also weiter.
Drittens hat dieser Zwang zum Wachstum noch einen weiteren Grund: Profit kann nur aus menschlicher Arbeitskraft abgeschöpft werden. Maschinen sind selbst Produkte aus Rohstoffen und Arbeit. Sie geben ihren Kaufwert in Produkte ab und machen die Waren billiger. Schafft sich ein Produzent neueste hochmoderne Technik an, erzielt er zwar zunächst höhere Einzelprofite. Sobald allerdings die anderen Unternehmer nachziehen, erfolgt der Preiskampf. Sinken die Preise, muss mehr produziert und mehr abgesetzt werden. Diese Spirale wohnt dem System inne. Ausbeutbar ist einzig die menschliche (Mehr-)Arbeit.
An der Grenze von Wachstum und Innovation
Mit seiner eigenen innovativen Kraft hebelt der Kapitalismus somit selbst seine einzige Profitquelle, die Arbeit, aus. Die Folge: Stetes Wachstum kann aufgrund natürlicher Beschränkungen den technologischen Fortschritt nicht kompensieren. Freigesetzte Arbeitskraft erzeugt zugleich sinkende Kaufkraft. Der so verursachte kontinuierliche Fall der Gesamt-Profitrate ist durch wachsende kriminelle Energie in der Wirtschaft nicht aufzuhalten. Auch für Dienstleister, wie Banken, fällt dadurch immer weniger ab. Nicht ohne Grund sinken die Leitzinsen fast aller Zentralbanken seit Jahren. Die EZB hält ihren Kurs seit 2016 auf Null. Sie verringert die Kosten für Geldkapital, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Doch mit schwindenden Anlagemöglichkeiten wird das immer unmöglicher. Die Wachstumsgrenze ist da.
Die Auswirkungen davon erleben wir bereits: Kapital und Staat schröpfen die arbeitende Bevölkerung immer stärker. Trotzdem jammert die Politik über leere Kassen, schiebt es angeblich faulen Hartz-IV-Beziehern oder Flüchtlingen in die Schuhe. Alle industriellen Zentren schrumpfen aktuell die Sozialausgaben, während eine kleine Kaste immer reicher wird. Margaret Thatcher und ihre neoliberalen Nachfolger lassen grüßen.
Viertens produziert der Kapitalismus durch das Aushebeln der Profitquelle Arbeitskraft eine wachsende Masse überflüssigen Humankapitals, wie Arbeitskraftverkäufer im wirtschaftlichen Jargon ungeniert genannt werden. Es sind die davon betroffenen vielen Millionen Menschen, die dieser Tage vor Perspektivlosigkeit fliehen, auf der Suche nach Arbeit durch die Europäische Union pilgern oder vor Verzweiflung in seeuntüchtige Boote steigen. Ihre Zahl wird wachsen, Unruhen sind vorprogrammiert. Mehr noch: Durch die schwindende Kaufkraft einer wachsenden Masse wird auch Anlagekapital zunehmend überflüssig. Absatzmärkte schwinden, Innovationen lohnen sich nicht mehr.
Die Kapitalmaschine lässt Appelle zum Umsteuern verpuffen
Weil der Kapitalismus so funktioniert, wie er funktioniert, verhallen seit Jahrzehnten alle Appelle und politischen Initiativen zum Umsteuern. Alle Warnungen von Wissenschaftlern und besorgten Klimaforschern verpuffen an der Realität. Nichts fürchten die Kapitalismus-Verfechter so sehr, wie den Tag, an dem die Massen sich dieser Realität bewusst werden.
So fährt man regelmäßig ein Arsenal an Vulgärökonomen auf, um das Volk zu beruhigen. Mit viel pseudo-intellektuellem Geschwätz rufen sie, in stiller Hoffnung auf weitere Wachstumsschübe, etwa nach weiterer Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Angesichts des Entwicklungsstandes der Produktivkräfte ist das völlig irrational, entspricht aber der Logik des Systems. Derweil baut die Wirtschaft riesige Niedriglohnsektoren auf. Die Politik als deren Gehilfe zwingt freigesetzte Lohnabhängige mittels Hartz-IV-Sanktionen in selbige. Kurzum: Die besitzende Klasse treibt die Ausbeutung von Mensch und Natur mit Gewalt auf die Spitze.
Bereits jetzt dürfte klar sein: Selbst das anvisierte Klimaziel, die Erde bis zum Jahr 2040 – also in 22 Jahren – nicht mehr als 1,5 Grad Celsius im Mittel zu erwärmen, ist unter diesen Bedingungen zum Scheitern verurteilt. Dabei würde schon dieses vergleichsweise optimistische Szenario grausame Folgen nach sich ziehen: extreme Dürre, Überschwemmungen, mehr Hungerkatastrophen, Fischsterben und vieles mehr.
Einig sind sich die meisten Wissenschaftler außerdem darin: Klimawandel findet nicht graduell über Jahrhunderte statt. Vielmehr führen langfristige Veränderungen im System, wie die historisch hohe CO2-Konzentration durch die kapitalistische Verbrennungsmaschine, zu sprunghaften Wechseln. Weite Teile des Planeten drohen binnen Dekaden unbewohnbar zu werden.
Widerstand entlang der globalen Verwertungsketten
Umweltkatastrophen und ein kippendes Klima scheren sich nicht um nationale Grenzen. Der Kampf gegen die mörderischen Aussichten kann nur noch auf internationaler Ebene ergriffen werden. Widerstand muss entlang der Rohstoff- und Produktionsketten global organisiert werden. Gemeint sind Streiks und Besetzungen wichtiger Konzerne und Rohstofflagerstätten.
Dazu ist ein radikaler Ausbruch aus dem kapitalistischen Gedankengefängnis unumgänglich. Die imperiale Lebensweise muss letztlich auch ins Bewusstsein der globalen Mittelklasse dringen. Dabei geht es nicht um Verzicht. Der kapitalistische Ressourcenhunger dient ja gerade nicht der Bedürfnisbefriedigung. Das Kapital produziert schon jetzt zunehmend für die Müllhalde. Die geplante Obsoleszenz ist nur ein Beispiel dafür.
Bewegungen können dem drohenden Ökokollaps nur noch unabhängig von nationalen Grenzen entgegenwirken. Bei allen Kleinzielen: Auf dem Schirm müssen sie die Befreiung vom Zwang zur Kapitalverwertung haben. Das ist kein Linksradikalismus, sondern das vernünftige, gemäßigte Minimum, um den Absturz in die absolute globale Barbarei zu verhindern. Fortschritt ist nur noch jenseits des Kapitals zu realisieren.