Titelbild: Viehzucht an der Agrargrenze nahe der Nordgrenze des Chiribiquete-Nationalparks
Die Wälder der Welt befinden sich mittlerweile quasi in der Notaufnahme. Die Gesundheit des Planeten steht auf dem Spiel, und “Pflaster” als Reaktion reichen nicht mehr aus, erklärt eine führende Denkfabrik für Naturschutz.
Im vergangenen Jahr hat die Menschheit eine Fläche von Tropenwäldern zerstört, die annähernd so groß ist wie die gesamte Landfläche Englands. Dies ist der viertgrößte Rückgang seit der Verfügbarkeit globaler Satellitendaten im Jahr 2001, so berichteten Forscher neulich.
Das Tempo des Verlusts entspricht dem täglichen Verschwinden von 30 Fußballfeldern pro Minute im Jahr 2018, oder 120.000 Quadratkilometern.
Fast ein Drittel dieser Fläche, rund 36.000 Quadratkilometer, bestand aus unberührtem Primärregenwald, wie Wissenschaftler von Global Forest Watch, ansässig an der Universität of Maryland, in ihrer jährlichen Beurteilung festhielten.
“Zum ersten Mal können wir den Verlust von Baumbewuchs in ungestörten natürlichen Regenwäldern feststellen, die Bäume enthalten, die hunderte oder sogar tausende Jahre alt sein können”, sagte Teammanager Mikaela Weisse.
Trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene ist die Entwaldung seit Beginn des Jahrhunderts weitgehend unvermindert fortgesetzt worden.
Der globale Waldverlust erreichte 2016 seinen Höhepunkt, was zum Teil auf das Wetter in El Nino und auf Brände in Brasilien und Indonesien zurückzuführen ist.
Die Hauptursachen sind die Viehzucht und großflächige Landwirtschaft – Palmöl in Asien und Afrika, Sojabohnen und Biokraftstoffe in Südamerika.
Auch kleinflächige kommerzielle Bewirtschaftung – zum Beispiel von Kakao – kann jedoch zur Rodung von Wäldern führen.
Ein Viertel des Verlusts tropischer Bäume im Jahr 2018 ereignete sich in Brasilien, während auf die Demokratische Republik Kongo und Indonesien jeweils etwa 10 Prozent entfielen.
Auch in Malaysia und Madagaskar war im vergangenen Jahr eine starke Entwaldung zu verzeichnen.
Fast ein Drittel der Primärwaldzerstörung fand in Brasilien (13.500 km²) statt, während die Demokratische Republik Kongo (4.800 km²), Indonesien (3.400 km²), Kolumbien (1.800 km²) und Bolivien (1.500 km²) die Top 5 abrundeten.
Madagaskar verlor allein im Jahr 2018 2 Prozent seines gesamten Regenwaldes
“Die Wälder der Welt befinden sich jetzt in der Notaufnahme”, sagte Frances Seymour, eine hochrangige Stipendiatin des World Resources Institute, einer umweltpolitischen Denkfabrik in Washington, DC. “Die Gesundheit des Planeten steht auf dem Spiel, und ‘Pflaster’ als Reaktion reichen nicht mehr aus.”
Ein Lichtblick in dem Bericht war Indonesien, das 2018 zwar 3.400 km² Primärwald verlor – was aber immerhin einen Rückgang von 63 Prozent im Vergleich zu 2016 darstellt.
Im Jahr 2015 haben massive Waldbrände auf Sumatra, Borneo und anderen indonesischen Inseln eine Größe von 20.000 Quadratkilometern erreicht und in einem großen Teil Südostasiens eine gesundheitsschädliche Umweltverschmutzung verursacht.
In Brasilien bewegt sich der Trend indes in die falsche Richtung.
“Unsere Daten zeigen einen starken Anstieg der Waldverluste in den Jahren 2016 und 2017 im Zusammenhang mit von Menschen verursachten Bränden”, sagte Weisse über Brasilien. “Schockierenderweise sehen wir auch das Eindringen in Stammesgebiete, die jahrelang nicht angetastet wurden.”
Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der im Januar sein Amt antrat, hat es sich zum Programm gemacht, die Umweltvorschriften zu kürzen und die kommerzielle Landwirtschaft sowie den Bergbau in Eingeboreren-Reservaten zuzulassen, die mehr als 10 Prozent des brasilianischen Territoriums ausmachen.
Die Forscher betonten, dass Bolsonaro noch nicht lange genug im Amt ist, um die Auswirkungen seiner Politik auf die Entwaldung bewerten zu können.
Als Antwort auf den Bericht erklärte das brasilianische Außenministerium, man sei “fest entschlossen, die landwirtschaftliche Produktion und den Umweltschutz in Einklang zu bringen”.
In Westafrika ereigneten sich unterdessen 70 Prozent des Primärwaldverlusts in Ghana und der Elfenbeinküste in Schutzgebieten, was auf die Notwendigkeit einer strengeren Überwachung hinweist.
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