Jeden Tag sterben in Deutschland durchschnittlich 40 landwirtschaftliche Betriebe. Gerade kleinere Höfe können unter den üblichen marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht überleben – und auch Bio-Höfe haben es schwer.
Der Hof Pente bei Bramsche/Osnabrück steht mit einer wachsenden Anzahl von Höfen für ein neues Modell: Solidarische Landwirtschaft will durch direkte Kooperation zwischen Landwirten und Verbrauchern mehr Gewinn für alle schaffen.
Einmal in der Woche, jeden Freitagnachmittag, wird es trubelig auf dem ansonsten beschaulichen Bauernhof Pente bei Bramsche. Dann ist Abholtag für die Mitglieder der solidarischen Landwirtschaft, die hier praktiziert wird. Im Abholraum stehen Kartoffeln in Kisten bereit, in Regalen warten Lagen mit braunen Eiern. Aus der Kühlung gibt es Möhren und aus den Gewächshäusern kommt erster Salat.
Ein Brot für jede(n), das ein Bio-Bäcker aus dem Getreidemehl des Hofes backt, gehört ebenfalls zur Grundausstattung des wöchentlichen Warenkorbes, und dann selbstverständlich frisches Gemüse je nach Saison. Von den eigenen Schweinen gibt es Fleisch und Wurst, aber das ist eher selten.
Milchprodukte sind nicht im Angebot, die elf Kühe des Hofes dienen ausschließlich der Komposterzeugung und Fleischversorgung. Dass die hier praktizierte Erzeugergemeinschaft auch ein soziales Übungsfeld für die Kunden ist, merkt man daran, wie hier ohne Portemonnaie eingekauft wird: Kartoffeln, Salat und Gemüse werden nicht abgewogen oder abgezählt, sondern stehen in großen Körben zum Mitnehmen bereit – jede(r) nimmt nach Selbsteinschätzung, was er oder sie braucht. Die Rechnung geht dennoch bisher immer auf: „Ich kann ja nicht mehr mitnehmen, als ich essen kann”, meint eine Kundin.
Für Julia und Tobias Hartkemeyer, die beide auf Bauernhöfen aufgewachsen sind, hat sich die solidarische Landwirtschaft oder Community Supported Agriculture (CSA) wie es im Englischen heißt, als der richtige Weg erwiesen, zusammen mit anderen etwas Tragfähiges und Zukunftsweisendes zu gestalten. Julia ist Agraringenieurin und Gärtnerin, Tobias hat in Kassel-Witzenhausen als Landwirt promoviert.
Seine Eltern haben den tradtitionsreichen Familienbetrieb für das Experiment zur Verfügung gestellt und unterstützen das Projekt nach Kräften, Vater Johannes Hartkemeyer etwa durch Hilfe bei der Instandhaltung des Maschinenparks. Vier eigene Kinder haben die jungen Hartkemeyers inzwischen, die Übergänge zwischen Familie, Hofgemeinschaft und Mitgliedern sind fließend.
Die Räume des Gemeinschaftshofes und die privaten Zimmer liegen direkt beieinander, im Zentrum ein großer Seminarraum, der auch als Versammlungsort der morgendlichen Mitarbeiterrunde dient, wenn das Wetter draußen mal zu schlecht ist. Und in dem saalgroßen Raum, durch den sich manchmal auch die Holzeisenbahn der Hartkemeyer-Kinder schlängelt, finden regelmäßige Informationsabende für die Mitglieder statt.
Rund 250 Menschen umfasst das CSA-Projekt derzeit – genug, um dem Hof ein sicheres Wirtschaften zu ermöglichen. Die Mitglieder gehen jeweils für ein Jahr einen Vertrag mit dem Hof ein, der dann verlängert werden kann. Mitglied zu sein umfasst dabei mehr als nur eine Bio-Lebensmittel-Flatrate: Es bedeutet vor allem, die Existenz des Hofes zu sichern, aber auch die Möglichkeit, sich an Aussaat, Ernte oder Festen zu beteiligen.
Einige Ehrenamtliche unterstützen die professionellen Landwirte und Gärtner, „sonst würde es knapp”, meint Tobias. „Der Anfang war das Einfachste, die Begeisterung hat ganz viel möglich gemacht”, erinnert sich Julia. „Dann müssen die Mitglieder aber auch durchhalten. Am Anfang ist der Besuch hier draußen noch spannend, aber sie müssen ja jede Woche rauskommen und ihre Ernte abholen”, sagt sie.
320.000 Euro kostet der Hof im Jahr. Auf der Jahreshauptversammlung wird die Übernahme dieser Kosten durch die Mitglieder vereinbart. Bei diesem solidarischen Prozess steht im Mittelpunkt, dass das Jahresbudget gedeckt wird. Dabei ist auch eine individuelle Beitragshöhe erwünscht, so dass einige mehr und andere weniger zahlen können.
Wichtig ist, dass der Gesamtbetrag zustande kommt. „Entscheidend ist”, erklärt Tobias, „dass der Mitgliedsbeitrag ein Ermöglichungs-Entgeld für den Hof ist.” Deshalb gibt es zwar einen Orientierungswert (ca. 120 Euro pro Monat) aber keine festen Preise.
Aus der Abkehr vom Preis-Denken folgt auch, dass es beispielsweise keine Ermäßigung für Vegetarier gibt, die gar kein Fleisch oder keine Eier wollen. Denn der Hof bildet eine Ganzheit, zu dem die Tiere, dem Organismus-Prinzip entsprechend, einfach dazugehören, ob sie nun gegessen werden oder nicht.
Der Hof als Lernort
Fast alles auf dem Hof hat etwas Experimentelles, Projekthaftes. Die Haltung der Schweine beispielsweise ist gleichzeitig Arterhaltung und praktizierte Artgerechtheit. Auf Hof Pente leben Bunte Bentheimer Schweine, die mit ihren dunkelbraunen Flecken zu den bedrohten Haustierrassen in Deutschland gehören.
Anders als in der Massentierhaltung, wo die Tiere auf Betonböden beziehungsweise Stahlrosten gequält werden, leben die Schweine hier ganzjährig im Freien, was ihnen auch im Winter nichts ausmacht. Ställe gibt es keine, stattdessen stehen bewegliche Unterschlüpfe zur Verfügung, in die sich die Tiere zurückziehen können – was sie aber selbst bei wolkenbruchartigem Regen nicht tun.
Seltene Sorten werden auch im Bereich Getreide und Gemüse gepflegt. Das ist gut für die Bio-Diversität und sorgt für manche Überraschung der Mitglieder, wenn sie erleben, welche Exotik mit einheimischen Sorten möglich ist. Auch die Landschaftspflege gehört bereits zur Tradition des Hofes: viele Hecken wurden gepflanzt, Feuchtbiotope angelegt.
Und in gewisser Weise ist ja die gesamte biodynamische Wirtschaftsweise noch immer ein einziges Experiment. Die typischen Rührpräparate entstehen auf Hof Pente auf einem hölzernen Turm, von dem aus man beim Verrühren über das ganze Land schauen kann.
Auf ihrem Hof einen einzigen, großen Lernort zu schaffen, das ist die Vision von Julia und Tobias Hartkemeyer: „In einer Welt voller Krankheitssymptome haben wir hier die Chance, eine wirklich gesunde und transparente Ganzheit zu gestalten, an dem die Menschen wieder lernen können, ihr Denken an der Wirklichkeit zu entwickeln”, ist Tobias überzeugt.
Dieser Lernort soll künftig noch weiter ausgebaut werden zu einer „handlungspädagogischen Provinz”, wo Kinder im Kontext der Landwirtschaft spielend praktisch lernen können. Entsprechende Kooperationen mit Waldorfschulen existieren bereits und wer mit Hilfe von Google Maps zum Hof Pente navigiert, findet die „handlungspädagogische Provinz” sogar schon auf der Karte verzeichnet.
Die Vernetzung funktioniert schon bestens. Die sich in Gründung befindende Akademie für Potentialentfaltung von Gerald Hüther führt den Hof als Modellprojekt, über Stiftungen und Projekte bestehen europaweite Kontakte. Auch das große Interesse der Medien an dem Modell „CSA” auf Hof Pente zeigt, dass man hier offenbar einen Nerv der Zeit und ein echtes Bedürfnis getroffen hat. Die Erfahrungen und Ideen werden auch in Berichten und Büchern weitergegeben. Eine neue Graswurzelrevolution? Die Stimmung auf Hof Pente hat was davon.